Metaphern des Gärtnerns.
Sinnstiftende Bilder für lebendige Organisationen und Unternehmen.
Blogartikel, 17.01.2025
Lesezeit: 5 Minuten
Die Gärtnerin, Agrarwissenschafterin und Organisationsberaterin Andrea Heistinger über Prinzipien des Wachstums und der Entwicklung von Pflanzen in verschiedenen Lebensphasen vor und zieht Parallelen zu Unternehmens-Welten und Prozesse in Organisationen. Denn die Tätigkeit des Gärtnerns ist eine hilfreiche Metapher für viele Prozesse, die in Unternehmen und Organisationen ablaufen.
Der Garten als Schutzraum
Ein Garten ist zugleich ein Schutzraum und ein Nährraum. Was den Pflanzen Wachstum und Entwicklung – und aus der Perspektive des Gärtners oder der Gärtnerin Ertrag und Ernte ermöglicht – sind der Schutz eines Zaunes vor Wind und/oder Wildtieren und das Schaffen eines tiefgründigen, humusreichen und damit gut durchwurzelbaren Bodens.
- Übersetzt auf die Organisationen & Leadership bedeutet dies: Führung heißt, Menschen ein Umfeld zu schaffen, das ihnen persönliches Wachstum UND der Organisation ertragreiche Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter*innen ermöglicht.
Der Garten als kollektiver Entwicklungsraum
Der wichtigste Wuchsraum für Pflanzen ist zunächst der Raum unter der Erde – der Raum, der für uns Menschen eigentlich unsichtbar ist. Hier findet etwas statt, das zugleich wunderbar wie praktisch ist: Pflanzen können in einem belebten Boden viele Nährstoffe aktiv mobilisieren. Anders als die Pflanze seit Beginn der Düngemittelforschung im 19. Jahrhundert verstanden wurde – nämlich als passives Wesen, das von Menschenhand mit künstlichen Düngern versorgt werden muss – versteht die junge Forschung der Bio-Kommunikation die Pflanze als aktives Lebewesen, das bei passenden Verhältnissen zur Selbststeuerung befähigt ist. Denn Pflanzen können durch die Abgabe von Wurzelexsudaten ins Erdreich in enger Kooperation mit Pilzen und Bakterien Nährstoffe wie Phosphor und Kalium aus dem Mutterboden lösen. Und zwar genau dann, wann sie diese Nährstoffe brauchen. „Ein guter Gärtner ist ein wurzelkundiger Mensch“, nennt dies Andrea Heistinger.
- Übersetzt auf die Teams, Leadership und Teamentwicklung: Menschen brauchen ein Umfeld (einen Garten), das ihnen echtes Zusammenarbeiten (Zusammenwachsen) ermöglicht und sie zum eigenverantwortlichen Handeln und anregt und das die Pflege von Beziehungen untereinander ermöglicht und fördert.
Tempi und Rhythmen des Wachsens
Pflanzen wachsen sowohl schnell als auch langsam. Die Wachstums- und der Entwicklungsprozesse von Kulturpflanzen bringen – unter der Obhut des gärtnernden Menschen und unter Beachtung der Voraussetzungen – Beschleunigung, Entschleunigung und Innehalten in einen Rhythmus und in Einklang. Keimen, Lostreiben, Blühen und Reifen. Das sind die vier Entwicklungsphasen im Leben einer Pflanze. Welche Bedingungen braucht es jeweils, um eine Phase zu starten und zur vollen Geltung zu bringen?
Keimen
Damit ein Samenkorn keimen kann braucht es im Wesentlichen drei Wachstums- in diesem Fall Keimfaktoren: Wärme, Feuchtigkeit und für die meisten Kulturpflanzen: Dunkelheit. Dann aus einem Samenkorn zunächst die Keimwurzel und dann das Keimblatt. Solange sich die nun keimende Pflanze nicht selbst mit Nährstoffen versorgen kann, versorgen die im Nährgewebe des Samenkorns eingelagerten Nährstoffe der Sämling mit allem, was er für den Wachstumsvorgang des Keimens benötigt.
Fragen für Menschen & Organisationen:
- Was sind in Ihrem Unternehmen die Bedingungen, unter denen Innovation und Neues keimen kann?
- Im Generationenwechsel: Was an Erfahrung, Wissen, Ressourcen übergibt die ältere Generation der nächsten?
Lostreiben
Nun beginnt die Phase des kräftigen Wachstums, des üppigen Wucherns – bei den Kulturpflanzen – des Bildens von essbarer Pflanzenmasse, die wir Gemüse nennen. Damit dies gelingt, benötigt die Pflanze Licht – das sie als Energie in Pflanzenmasse umwandelt. Dann Wärme – die ihr Wachstum begünstigt. Drittens Feuchtigkeit in Form von Wasser, das die Pflanze über die Wurzeln aufnehmen kann. Und Voraussetzung für all dies ist: genügend Wuchsraum.
Fragen für Menschen & Organisationen:
- Welche Bedingungen brauchen Sie an Ihrem Arbeitsplatz, damit Sie Ihr Potential entfalten können?
- Wenn Sie Führungskraft sind: Wie können Sie die Potential-Entfaltung Ihrer MitarbeiterInnen fördern? Wo brauchen Sie eigenen Wuchsraum und wo brauchen sie ein Ranksystem – also Förderungen (Mentoring, Coaching, Anleitung) durch dienstältere MitarbeiterInnen?
Blühen
Eine Pflanze geht in Blüte: Bei all den Blumen des Gartens ist dies der – weithin sichtbare – Sinn & Zweck, warum wir sie in unseren Gärten kultivieren. Aus der Perspektive der Pflanze sorgt sie, indem sie blüht für das generatives Fortbestehen ihrer Art: Ihre männlichen Blütenorgane – die Staubgefäße – locken Insekten und andere Tiere herbei, die für ihre Bestäubung sorgen (und sich bei dieser Bestäubung mit Nahrung versorgen). Wir Menschen nennen dies Symbiose. Wesentliche Wachstumsfaktoren für die Blüte sind bei manchen Pflanzen die Tageslänge. Immer jedoch ist nun wesentlich, dass die Pflanze nun mit wesentlich weniger und anderen Nährstoffen versorgt wird, als in der Phase des üppigen vegetativen Lostreibens.
Fragen für Menschen & Organisationen:
- Was waren die Momente in meinem Berufsleben, in denen ich das Gefühl hatte, voll erblühen zu können?
- Was ist für mich eine „blühende Organisation“ – an welchen Merkmalen erkenne ich diese? Welche Unternehmen und Organisationen fallen mir dazu ein? Habe ich das schon einmal rückgemeldet?
Samen bilden
An einer Mutterpflanze reifen hunderte Samenkörner. Aus eins wird unzählige. Damit die Samenausreife gut gelingt braucht es nun Wärme und Trockenheit. Und einen Gärtner oder eine Gärtnerin, die die Samen rechtzeitig erntet und in Sicherheit bringt. Oder die Pflanzen bewusst der Selbstaussaat überlässt, wie dies in der Kulturtechnik des Blackbox-Gardenings gezielt genutzt wird. Dann suchen sich die Arten, die man im Garten angebaut hat, im nächsten Jahr selbst und in Wechselwirkung mit den anderen Pflanzen einen für sie passenden Wuchsraum.
Fragen für Organisationen:
- Wie sichern wir am Ende von Projekten, dass die Erfahrungen in unserer Organisation gut weitergegeben und damit auch in Zukunft zugänglich sind?
- Haben wir Prozesse und Rituale des Abschließens und Innehaltens in unserem Unternehmen, wenn ein Produkt fertig entwickelt ist?